Wie wollen wir die Zukunft unserer Häfen gestalten?
Die Nationale Hafenstrategie
Leistungsfähige und flexible Umschlagplätze auf Weltniveau, wichtige Industriestandorte mit tragender Rolle für die Versorgung der Bevölkerung, von herausragender Bedeutung für unsere Volkswirtschaft, nicht zuletzt in Krisenzeiten – so werden die deutschen Häfen im Imagefilm zum Auftakt der neuen Nationalen Hafenstrategie beschrieben. Und auch, wenn das dick aufgetragen klingt, der wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellenwert der Häfen ist enorm und der Stolz durchaus gerechtfertigt.
Ohne die Häfen geht es nicht. Sie sind weit mehr als ein Anhängsel der Schifffahrt, als das sie noch viel zu häufig wahrgenommen werden. Sie sind Wirtschaftszentren und wesentliche Knotenpunkte der zuletzt so empfindlichen Lieferketten. Nicht umsonst zählen sie zu den kritischen Infrastrukturen. Und sie sind unerlässlich für den Kombinierten Verkehr, die so wichtige Verkehrsverlagerung auf Bahn und Binnenschiff, und das alles überlagernde Thema Klimaschutz.
Häfen stärken
Damit die Häfen für Resilienz sorgen können, benötigen sie auch selbst gute Rahmenbedingungen und eine zeitgemäße Infrastruktur. Vieles ist aktuell auf Kante genäht: Personal, Equipment und Anlagen. Zu viel, wenn man sich die Bedeutung der Häfen vor Augen führt. Das gilt auch für die Vor- und Nachläufe. Das Bahnnetz ist überlastet, die Flüsse kämpfen mit Niedrigwasser. Allerorts herrscht Sanierungsstau und Unterfinanzierung. Die Politik ist nun gefordert, das sieht die Ampel-Koalition, die sich die Entwicklung der Häfen in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, genauso wie das Parlament.
Insofern ist die vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf den Weg gebrachte Nationale Hafenstrategie zwar inhaltlich keine wirkliche Überraschung, aber trotzdem ein wichtiges Zeichen. Sie folgt auf die Nationalen Hafenkonzepte, schafft vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen und neuer Chancen in bewährter Manier einen Rahmen für die Zusammenarbeit aller Beteiligten und versucht Antworten auf die Frage zu finden: Wie wollen wir die Zukunft unserer Häfen gestalten?
Die Handlungsfelder der Nationalen Hafenstrategie lauten:
• Häfen zu nachhaltigen Knotenpunkten der Energiewende entwickeln,
• Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Deutschland stärken,
• Potenziale der Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen ausschöpfen,
• Ausbildung und Beschäftigung zukunftsfähig gestalten,
• Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur bedarfsgerecht erhalten und ausbauen.
Schön klingende Worte, denen aber nun auch Handlungen folgen müssen, damit es nicht bei einer reinen Absichtserklärung bleibt, findet Joachim Zimmermann, Geschäftsführer von bayernhafen und Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB).
Die Eisenbahn ist sogar grundgesetzlich geschützt, aber was ist mit der Kaimauer oder der wasserseitigen Umschlaganlage?
bayernhafen-Geschäftsführer Joachim Zimmermann
Verlässlicher Rahmen benötigt
Natürlich geht es dabei auch um Förderprogramme. Häfen, Wasserstraßen, Schienennetze und Infrastruktur benötigen dringend einen Investitionsschub und der kostet nun mal Geld. Aber fast noch wichtiger ist Joachim Zimmermann das Thema Rechts- und Planungssicherheit. Nur, wenn Unternehmen und Investoren verlässlich planen können und Entwicklungsmöglichkeiten haben, werden sie auch investieren und dazu beitragen, dass die Häfen gedeihen.
Häfen brauchen Platz
Da ist etwa der Konflikt um die Flächen: „Wir müssen die Hafengebiete vor der Umnutzung schützen. Eigentlich müssten wir den Bestand sogar eher erweitern. Als Bürger verstehe ich den Wunsch, Wohnungen oder Kultur in Hafennähe anzusiedeln, zumal Flächen auch dafür knapp sind, aber als jemand, der seit fast 30 Jahren an Häfen tätig ist, weiß ich: Wir brauchen die logistische Nutzfläche und müssen sie für die Hafennutzung erhalten. Häfen brauchen Platz.“ Und letztlich profitieren auch die Städte, wenn sich verkehrsintensive Unternehmen im Hafen bündeln, wo die passende Infrastruktur zur Verfügung steht, und dadurch den städtischen Raum entlasten.
Auch wenn es für Laien oft anders aussieht, schon jetzt kommt es bei Lagerflächen zu Kapazitätsengpässen. Denn durch die aus der Volatilität der weltweiten Warenströme resultierenden heutigen Logistikkonzepte werden auch immer mehr Lagerfläche und vor allem größere zusammenhängende Grundstücke benötigt. Insbesondere Pufferläger werden gebraucht. „Wieviel Ladung so ein Schiff enthält und wieviel Platz für die Verladung und Lagerung benötigt wird – die schieren Größen sind für Fachfremde kaum vorstellbar“, so Joachim Zimmermann. Ein Binnenschiff kann je nach Tragfähigkeit bis zu 150 Lkw ersetzen. „Selbst wenn Flächen in Umbruchsphasen kurzfristig nicht von den Häfen gebraucht werden, dürfen wir sie nicht vorschnell aufgeben und die Häfen dadurch in ihren Handlungsmöglichkeiten einschränken.“
Schutz der Infrastruktur
Die Bundespolitik ist deshalb auch hier gefordert, die Häfen stärker vor alternativen Nutzungsideen zu schützen. Ähnlich wie Bahninfrastruktur benötigt auch die schifffahrtsseitige Infrastruktur eine bessere rechtliche Absicherung. Aktuell hat der Bund hier wenig Gestaltungsspielraum. „Die Eisenbahn ist sogar grundgesetzlich geschützt, aber was ist mit der Kaimauer oder der wasserseitigen Umschlaganlage?“, so Joachim Zimmermann. Hier braucht es einen stärkeren Gleichklang zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie einen Rechtsrahmen, der vermeintliche Widersprüche zwischen Umweltschutz, Naturschutz und Klimaschutz eliminiert.
Verkehrsverlagerungsprojekte dürfen nicht an Rechtsunsicherheiten und fehlenden Genehmigungen scheitern, so wie das im Fall des Abtransports von vielen Tausend Tonnen Gleisschotter fast geschehen wäre, der im Hafen Aschaffenburg umgeschlagen werden sollte. Der Gleisschotter war durch jahrelange Beanspruchung rundgeschliffen und wurde deshalb im Zuge von Streckensanierungsarbeiten ersetzt. Der alte Schotter sollte per Bahn in den Hafen Aschaffenburg transportiert und erst dort auf Lkw verladen werden. Weil er aber, sobald abgetragen, als Abfall deklariert ist und als solcher nicht ohne spezielle Genehmigung umgeschlagen werden darf, eine Genehmigung, die dem Hafen damals aber noch fehlte, wäre das ganze Vorhaben beinahe an genehmigungsrechtlichen Bedenken gescheitert. Zulasten des Klimaschutzes, denn abtransportiert werden muss das ganze Material ja und im Zweifel geschieht das dann eben komplett auf der Straße.
Schutz der InfrastrukturVerkehrsverlagerung ermöglichen
Auch Gewässer- und Naturschutzauflagen können die Entwicklung und den Ausbau der Häfen und damit auch Verkehrsverlagerung und Klimaschutz behindern. Ein Zielkonflikt, der zusätzlich erschwerend auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit ausgetragen wird.
So lehnt der BUND Naturschutz die drei aktuell im Raumordnungsverfahren zu prüfenden Standorte für ein neues ICE-Instandhaltungswerk im Großraum Nürnberg wegen des Eingriffs in den Bannwald ab. Stattdessen fordert er die Errichtung des Werks im Hafen Nürnberg. Diesen Standortvorschlag hat die Deutsche Bahn daraufhin geprüft und weder in puncto Platz noch infrastrukturell für geeignet befunden. Auch handelt es sich um einen Standort, der den bestehenden Hafen als funktionierenden Organismus mit Infrastruktur und angesiedelten Unternehmen zerstören würde.
So wichtig der Erhalt von Wäldern ist: Eine massive Schwächung des Hafenstandortes, die mit der Errichtung des ICE-Werks im Hafen zwangsläufig einherginge, und eine Rückverlagerung großer Teile des dort abgewickelten Warenverkehrs auf die Straße wäre ein fatales Zeichen und ein Bärendienst für den Klimaschutz. bayernhafen lehnt deshalb die Standort-Forderung des BUND Naturschutz ab. Denn im Hafen werden große Gütermengen gebündelt und Langstreckenverkehre mit der passenden Infrastruktur von der Straße auf die beiden umweltfreundlicheren Verkehrsträger Binnenschiff und Bahn verlagert. 2021 waren das in Nürnberg mehr als vier Millionen Tonnen Güter. Dies entspricht rund 240.000 eingesparten Lkw-Fahrten.
Der mit Abstand größte Teil dieser Tonnage wird in Nürnberg übrigens per Bahn transportiert. Wenn es gelingt – und auch dafür braucht man gut ausgebaute Binnenhäfen – diese beiden Verkehrsträger intelligent zu kombinieren, sodass beide ihre Stärken ausspielen können, entlastet das auch Trassen, Personal und Waggonkapazitäten.
Gut eingebettet
Umso wichtiger ist ein verlässlicher ordnungspolitischer Rahmen, gerade für die Binnenhäfen, die bei der Nationalen Hafenstrategie noch ein wenig im Schatten der Seehäfen stehen, obwohl sie letztlich zusammengedacht werden müssen. Der BÖB fordert deshalb ein spezifisches Verkehrsknotengesetz, um die Häfen aus dem föderalen Dickicht unterschiedlicher Zuständigkeiten, komplexer Genehmigungsverfahren sowie zeit- und kostenaufwendiger Vorgaben zu befreien.
Auch braucht es eine europäische Hafenstrategie, weil Wasserstraßen und Schienen nicht an Grenzen enden. „Die Benelux-Länder geben ein gutes Vorbild ab“, findet Joachim Zimmermann. „Das Thema Verkehr und Logistik hat dort eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland. Entsprechend ist auch die Akzeptanz für logistische Notwendigkeiten in der Bevölkerung größer.“ Und dazu zählt eben auch, dass man Häfen die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln. Ohne dabei von Kommunen in eine unnötige Konkurrenz um Flächen mit der Stadtentwicklung gedrängt zu werden.
„Häfen sind keine Museen, müssen sich ständig weiterentwickeln und tun das auch“, sagt Joachim Zimmermann. Die noch weit verbreitete Schifferklavier-Romantik, die auch der Imagefilm zur Nationalen Hafenstrategie bedient, indem er mit Aufnahmen in Schwarzweiß beginnt, sieht er mit gemischten Gefühlen. Allerdings: Der Film endet bunt und vielleicht ist das ein gutes Omen. Wichtig ist jetzt vor allem, ins Handeln zu kommen.