kurs 2024 | FachMeinung

„Ich bin ein großer Freund des Kombinierten Verkehrs“

Im Gespräch mit Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V.

Prof. Dr. Dirk Engelhardt: In der Nähe von Frankfurt aufgewachsen, begann Dirk Engelhardt bereits mit 13 Jahren, beim Vorgänger der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main e.G. (RWZ) im Lager zu arbeiten. Nach Abitur und Bundeswehr studierte er Agrarwissenschaft in Gießen und fuhr „nebenbei“ 40-Tonner, auch Gefahrguttransporte, durch ganz Europa. Nach dem Studium stieg er bei der RWZ – dem hessischen Pendant der BayWa – Vollzeit ein. Eine seiner ersten Aufgaben: die Zentralisierung des Einkaufs aller Mobilien und Logistikaktivitäten. Daraus erwuchs der neue Geschäftsbereich „Logistik / Fuhrpark“, den er von 2003 bis 2016 als Prokurist leitete. Parallel promovierte er und habilitierte sich in Gießen. Nach einigen Jahren als Privatdozent erhielt Prof. Dr. Dirk Engelhardt Anfang 2009 die Professur für Logistikmanagement an der Steinbeis Hochschule Berlin, an der er bis heute lehrt. Zudem ist er Gastprofessor an weiteren Hochschulen. Anfang 2017 wurde er zum Hauptgeschäftsführer, seit März 2019 zum Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. berufen, der die Interessen von aktuell rund 7.000 Unternehmen vertritt. Der BGL ist zudem Gründungsmitglied der Kombiverkehr und des Transportversicherers KRAVAG und ist bei letzterem seither stets mit einem Aufsichtsratsmandat vertreten. (Foto BGL)

kurs bayernhafen: Der Straßengüterverkehr ist Garant unserer Wirtschaftskraft und unserer Lebensqualität. Welchen Beitrag kann er zur Nachhaltigkeit des Verkehrssektors leisten?

Prof. Dr. Dirk Engelhardt: Einen nennenswerten Beitrag zur Nachhaltigkeit wird der Straßengüterverkehr erst ab Ende der Dekade leisten können, denn für die E-Mobilisierung des Lkw-Verkehrs fehlt es an den drei notwendigen Rahmenbedingungen: an Ladepunkten, E-Fahrzeugen und Stromnetzen.
Heute sind von rund 800.000 Lkw in Deutschland gerade einmal 0,07 Prozent elektrifiziert, das sind ganze 560 Fahrzeuge (Stand Mai 2024). Ladepunkte sind allerdünnstenst gesät, Megacharger gibt’s in ganz Deutschland nicht.
Und um den grünen Strom für den Verkehrssektor zu generieren, bräuchte es z.B. 187.500 zusätzliche Windkraftanlagen. Heute haben wir in Deutschland gerade mal rund 28.000 Windräder. Ein Henne-Ei-Thema par excellence, auch auf europäischer Ebene stagniert die Lkw-E-Mobilität. Da muss also die Politik die Voraussetzungen schaffen.
Im Übrigen gefallen sich alle mit dem Satz: „Batterieelektrisch fahren ist toll“, aber die Zahlen erzählen noch eine andere Wahrheit: 1 l Diesel emittiert 263 g CO2, ein entsprechender Strommix emittiert dagegen 435 g CO2. Was uns noch einige Jahre lang zur Nachhaltigkeits-Transformation des Güterverkehrs fehlen wird, ist grüner Strom.

Im Kombinierten Verkehr hat der LKW eine Hauptrolle: für den Vor- und Nachlauf genauso wie im Hauptlauf, als per Bahn transportierte/r Sattelauflieger (Trailer) oder Wechselbrücke sowie im Rahmen der Rollenden Landstraße. Was ist Ihnen zur Stärkung des Kombinierten Verkehrs besonders wichtig?

Der KV braucht Terminals, attraktiven Zugang auch für kleine und mittelständische Unternehmen und ein besseres Miteinander der Verkehrsträger. Robuste Logistikketten erfordern alle drei Verkehrsträger, die müssen gemeinsam verzahnt arbeiten – die trimodalen See- und Binnenhäfen machen das ja täglich vor.
Wir brauchen integrierte KV-Lösungen für KMUs, die bisher vergleichsweise wenig den KV nutzen. Denn sie haben natürlich Sorge, dass sie ihr Equipment unbeschadet zurückbekommen. Ein integriertes Angebot wäre z.B. eine digitale Buchungsplattform, über die sich Container, Trailer, Kippauflieger und Wechselbrücken mieten lassen; zudem würde darüber der Nachlauf organisiert. Genau so etwas haben BGL und Allianz pro Schiene 2021 / 2022 zusammen entwickelt: Truck2Train. An einer fehlenden Folgeförderung von gerade einmal 100.000 Euro ist das Projekt gescheitert. Aus meiner Sicht ein großer Fehler.

Die Kranbarkeit von Trailern ist längst keine conditio qua non mehr für ihren Transport auf der Schiene. Lösungen wie NiKraSa, CargoBeamer oder der patentierte Helrom-Trailer-Wagen machen Sattelauflieger „bahnbereit“. Empfehlen Sie Ihren Mitgliedern die Nutzung dieser Möglichkeiten? Und was ist Ihnen dabei besonders wichtig?

Natürlich sind wir offen für jede Technologie, aber ich bin kein Freund von obligatorischer Kranbarkeit. Das Angebot muss attraktiv sein, darauf kommt’s an. Und wenn das Angebot stimmt, kann es nur heißen: „Macht es!“

Bei interkontinentalen Verkehren ist der Container das Maß der Dinge. Bei kontinentalen Verkehren – sei es innerdeutsch, innereuropäisch oder im eurasischen Raum – kommt niemand am Trailer und an der Wechselbrücke vorbei. Hier liegt ein großes Potential für den Transport auf der Schiene. Der Trailerport im bayernhafen Regensburg ermöglicht es, dieses Potential auf konkrete Schienen-Relationen zu bringen – wie zum Beispiel den regelmäßigen Intermodalzug zwischen Regensburg und Niedersachsen für die Automobil-Zulieferindustrie und, seit April 2024, die neue Helrom Trailer Rail Verbindung zwischen Regensburg und dem ungarischen Lébény, als Teil der Logistikkette der AUDI AG. Was ist aus Ihrer Sicht für Industrie- und Handelsunternehmen entscheidend, damit sich diese bei ihren kontinentalen Verkehren für den Schienentransport entscheiden?

Ich halte viel vom Trailerport im bayernhafen Regensburg, ich bin ein großer Freund des Kombinierten Verkehrs. Wir setzen uns für einen wirtschaftlichen und nachhaltigen Transport ein. Da gehören kombinierte Lösungen unbedingt dazu.
So haben die großen OEMs wie BMW Group, Audi, VW und andere selbst in Trailer und Wechselbrücken investiert. Unsere Mitglieder organisieren dann entweder nur den Vorlauf oder in Kooperation mit einem unserer ausländischen Schwesterverbände auch den Nachlauf. Den Nachlauf kann natürlich auch der Hauptlauf-Betreiber managen. Wir sind hier wieder beim Punkt der verzahnten Zusammenarbeit, denn erfolgreiche Transportlogistik ist immer auch eine Gemeinschaftsleistung.

Massengut aufs Binnenschiff, Trailer und Container im Hauptlauf auf die Schiene, Vor- und Nachlauf per Lkw – so trimodal ticken Binnenhäfen. Wo sehen Sie die Schnittmengen zwischen dem Straßengüterverkehr und den Binnenhäfen?

Ich sehe viele Schnittmengen – das fängt mit der Bulk-Logistik für Massengüter an inkl. Getreideimporten und -exporten, geht weiter über Ro-Ro-Verkehre bis hin zu Projektladungen wie Windflügeln, Trafos oder Generatoren. Ich sehe die Power UND die Sorgen der Binnenschifffahrt. Auch hier braucht es ein stärkeres Miteinander der Verkehrsträger. Wir sind dazu bereit.

Unternehmen, die Trailer im Hauptlauf mehr und mehr auf die Schiene geben, managen damit auch den Fachkräftemangel bei Lkw-Fahrern. Zudem erhöht sich die Lebensqualität der Fahrer, die häufiger abends zuhause sein können. Wie sehen Ihre Mitglieder diese gewonnene Flexibilität?

Ja, Kombinierter Verkehr ist attraktiv für alle: für die Umwelt, für den motorisierten Individualverkehr, für Arbeitgeber und für die Lebensqualität der Arbeitnehmer. Allerdings ist das derzeitige KV-Angebot nicht darstellbar für KMUs. Besonders für diese Unternehmen mit 5 bis 20 Mitarbeitern kämpfen wir in Berlin und Brüssel für bessere Rahmenbedingungen: zum Beispiel im Rahmen des EU-Mobilitätspaktes, für zusätzliche 2 h mehr Lenkzeit bei Stau, für die Aufhebung von Fahrverboten an bundesuneinheitlichen Feiertagen oder eine angemessene Ausstattung und Ausgestaltung der Förderprogramme. Die Transportleistung steigt konstant, und entsprechend müssen auch die Förderprogramme proportional mitwachsen.