Kombinierter Verkehr muss nächste Stufe zünden
Bei kontinentalen Verkehren gehören Trailer auf die Bahn
Im Seehafen-Hinterlandverkehr ist der Kombinierte Verkehr (KV) seit Jahrzehnten Standard: Bahn und Binnenschiff transportieren Container in die Regionen, vom dortigen Containerterminal in den Binnenhäfen geht’s per Lkw auf die letzte Meile – Komponenten in die Industrie, Güter in den Handel und Großhandel, Endprodukte zum Kunden. Im Export funktioniert’s genau umgekehrt. Weil der Großteil des Transports auf Schiene oder Wasserstraße stattfindet, wird die Straße entlastet und die Umwelt geschont.
Jetzt muss die nächste Stufe des KVs gezündet werden: kontinentale Verkehre, das heißt der Transport von Sattelaufliegern (Trailern) und Wechselbrücken auf der Schiene – innerdeutsch, europaweit, alpenquerend.
Das Potenzial der Verkehrsverlagerung bei kontinentalen Verkehren ist riesig: Trailer gibt es über 400.000 allein in Deutschland, die Anzahl von Wechselbrücken wird in Europa auf über 300.000 Stück geschätzt. Diese kontinentalen Verkehre laufen heute noch zu rund 90 Prozent auf der Straße, insbesondere deshalb, weil die meisten Trailer (noch) nicht kranbar sind. Dabei ist dies keinerlei Hinderungsgrund, denn während die kranbaren Trailer per Reachstacker umgeschlagen werden, gibt es mittlerweile auch für die nicht kranbaren bewährte Verlade-Systeme: von CargoBeamer oder NiKRASA, an dessen Entwicklung bayernhafen maßgeblich beteiligt war, über den begleiteten kombinierten Verkehr per Rollender Landstraße (RoLa-Terminal Regensburg) bis hin zur Helrom-Horizontalverladung, deren Markteintritt in
Bayern bayernhafen am Standort Regensburg aktiv mitbegleitet hat.
„Nach dem Container geht es jetzt darum, auch die großen Trailer-Volumen auf den kontinentalen Relationen auf die Schiene zu bekommen“, sagt Joachim Zimmermann, bayernhafen-Geschäftsführer und Präsident des Bundesverbands Öffentlicher Binnenhäfen e.V. (BÖB), der als eine der wesentlichen Funktionen der Binnenhäfen hervorhebt, Langstrecken-Güterverkehre von der Straße auf Bahn und Binnenschiff zu verlagern. Dadurch werden Treibhausgase eingespart und Straßen entlastet. „Speziell für den Umschlag von Trailern und Wechselbrücken von der Straße auf die Schiene haben wir in Regensburg ein eigenes Terminal errichtet, den Trailerport T2, den wir auch selbst betreiben.“
Seit der Trailerport-Eröffnung 2019 verbindet ein Intermodalzug von Hellmann Worldwide Logistics Regensburg mit Niedersachsen. Die kranbaren Trailer werden von bayernhafen per Reachstacker auf die Bahn umgeschlagen.
Seit April 2024 fährt der erste exklusive Helrom-Ganzzug zwischen Regensburg und dem ungarischen Lébény. Die neue Verbindung von Helrom Trailer Rail ist Teil der Logistikkette der AUDI AG und verbindet die Materialversorgung für die drei AUDI-Standorte Ingolstadt, Neckarsulm und Györ (siehe auch Interview auf Seite 6-7). In dem Projekt kooperieren AUDI AG, die Logistikgruppe Duvenbeck, bayernhafen und Helrom.
Und: Ende Oktober 2024 hat Helrom sein Netz um eine neue Verbindung zwischen Regensburg und Verona über den Brenner erweitert und bietet damit eine nachhaltige Alternative für den Güterverkehr transalp. Diese neue Verbindung reduziert laut Helrom die CO2-Emissionen um 90 Prozent.
Bereits seit 2007 werden im KV-Terminal im bayernhafen Nürnberg durch die TriCon Container-Terminal Nürnberg GmbH kranbare Sattelauflieger und Wechselbrücken auf die Schiene verladen. Operateure wie z.B. Kombiverkehr, Hellmann und DB Cargo bieten verschiedene Verbindungen an. Über Erfahrungen mit dem Umschlag von kranbaren Trailern auf die Schiene verfügt man auch im bayernhafen Aschaffenburg.
Schluss mit der
Inselbetrachtung! Bahn, Binnenschiff und Lkw bekommen den Güterverkehr nur gemeinsam hin.
Joachim Zimmermann,
bayernhafen Geschäftsführer
und Präsident des Bundesverbands
Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB)
Stellt sich die Frage: Wo sollen die Kapazitäten auf der Schiene für den Transport von Trailern und Wechselbrücken herkommen?
Auf den Punkt bringt es Heiner Dettmer, Präsidiumsmitglied im Deutschen Verkehrsforum und Geschäftsführer der Dettmer Group, zu deren Portfolio neben Logistikdienstleistungen und Recycling auch eine Reederei gehört: „Die Binnenschifffahrt hat Kapazitäten frei. Vielleicht sollten wir erst mal eine Verlagerung von der Schiene auf die Wasserstraße diskutieren, zum Beispiel Massenguttransporte auf der Rheinschiene. Das könnte die Bahn auch kurzfristig in die Lage versetzen, andere Gütermengen aufzunehmen.“
„Damit würden auf der Schiene Kapazitäten frei, um das große Potenzial an Trailern und Wechselbrücken kontinental zu transportieren“, so Joachim Zimmermann, „jedes verladende Unternehmen und jede Spedition hat die Chance, diese ‚Rochade im Hauptlauf‘ voranzubringen: Massengüter aufs Binnenschiff, Trailer und Wechselbrücken auf die Bahn. So macht im Konzert der Verkehrsträger jeder das, was er am besten kann.“ Die Straßen werden weniger voll, die Bahn übernimmt auf der Langstrecke den Trailer- und Wechselbrücken-Transport, den Vor- und Nachlauf übernimmt der Lkw und die Binnenschifffahrt nutzt ihre freien Kapazitäten für Massengüter aller Art sowie für Projektladungen, vom Trafo bis zu Rotorblättern für Windenergieanlagen.
Hinzu kommt: Bahn und Binnenschiff springen füreinander in die Bresche, wenn das nötig wird: Bei Niedrigwasser steht die Bahn parat, bei Korridor-Sanierungen oder Sturmschäden das Binnenschiff. „So wird aus Wettbewerb Kooperation“, sagt Joachim Zimmermann, „und aus Konkurrenz Arbeitsteilung. Schluss mit der Inselbetrachtung! Bahn, Binnenschiff und Lkw bekommen den Güterverkehr nur gemeinsam hin.“