kurs 2023 | TitelThema

Und der Antrieb stimmt!

Experten diskutieren über alternative Antriebsformen für Off-Highway Maschinen

Strom aus Wasserstoff, Wind- und Sonnenenergie, Wärme aus Holzhackschnitzeln, Geothermie, Biomethan, industrieller Abwärme oder per Wärmepumpe, Elektromobilitäts-Fahrzeuge und -busse auf unseren Straßen … da tut sich was in Sachen Energiewende. Doch was ist mit den vielen, schweren Umschlag- und Baumaschinen in den Off-Highway Einsatzbereichen wie auf Baustellen oder im Güterumschlag? Gibt’s da Alternativen zum Diesel? Und ob es die gibt!

Darüber sprachen im bayernhafen Regensburg Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Rabl, Leiter des Labors für Verbrennungsmotoren und Abgasnachbehandlung an der OTH Regensburg und seit April 2023 wissenschaftlicher Leiter des vom Freistaat Bayern geförderten „Technologietransferzentrums (TTZ) Wasserstoffcluster Donau Hafen Kelheim OTH Regensburg“, Alexander Maier, Geschäftsführer der MaierKorduletsch Gruppe aus Vilshofen, Richard Pirkl, Geschäftsführer der Liebherr-­Components Deggendorf GmbH, und Armin Mörtlbauer, Geschäftsführer der Mörtlbauer Baumaschinenvertriebs GmbH aus Fürstenzell.

Doch bevor geredet wurde, wurde getankt. Klaus Hohberger, Mitglied der Geschäftsleitung bayernhafen, ließ es sich nicht nehmen, vor Beginn der Veranstaltung den im bayernhafen Regensburg eingesetzten Liebherr Umschlagbagger LH60M erstmals mit dem ölbasierten Biokraftstoff HVO100 zu betanken. Darin steckt „Hydrotreated Vegetable Oil“, zu Deutsch „hydriertes Pflanzenöl“. Eingesetzt für die Herstellung dieses rein regenerativ hergestellten HVO-Biokraftstoffs werden neben Pflanzenölen auch Abfälle sowie Öle und Fette aus z.B. gebrauchtem Speiseöl. Bisher braucht der HVO100-Nutzer in aller Regel einen eigenen Tank oder Tanklaster „to go“, voraussichtlich ab 2024 soll das kältebeständige HVO100 auch an öffentlichen Wasserstoff-Tankstellen zu tanken sein.

Binnenhäfen in der Energiewende
Binnenhäfen sind mit der vorhandenen Umschlags- und Tanklager-Infrastruktur Energie-Hubs. „Wie bei der Verkehrswende werden unsere Binnenhäfen auch bei der Energiewende eine entscheidende Rolle spielen“, sagt bayernhafen-Geschäftsführer Joachim Zimmermann, „so sind Binnenschiffe und die Bahn ideal geeignet, um die neuen Kraftstoffe inkl. Wasserstoff zu den Binnenhäfen als regionalen Verteilzentren zu transportieren. Die Binnenhäfen wiederum sind perfekte Standorte für Umschlag und Lagerung neuer Kraftstoffe.“ Sukzessive stellt auch bayernhafen seine Umschlaggeräte auf den umweltschonenderen Kraftstoff HVO100 um. Start war im Dezember 2022 im bayernhafen Bamberg. Apropos Wasserstoff: Die dm-Drogeriemärkte in Nürnberg werden seit März 2023 mit neuen Wasserstoff-Lkw beliefert: ein gemeinsames Pilotprojekt der im bayernhafen Nürnberg ansässigen Spedition Amm und des Logistikunternehmens DSV für die umweltfreundliche Warenversorgung im Nürnberger Stadtgebiet – und ein wertvoller Beitrag zu einer verbesserten Ökobilanz in der City-Logistik.

In seiner kurzweiligen Keynote nahm Prof. Dr. Hans-Peter Rabl die Zuhörer mit auf eine Reise in die Zukunft möglicher UND sinnvoller alternativer Antriebsformen für „Off-Highway Maschinen“, wie schwere Umschlags-, Lade- und Baufahrzeuge im Englischen zusammengefasst werden.

Gemeinsam mit
unseren Kunden werden wir die bestmöglichen Lösungen entwickeln.

Klaus Hohberger,
Mitglied der Geschäftsleitung bayernhafen

Die wichtigsten Aussagen von Prof. Dr. Hans-Peter Rabl*:

  1. Für schweres Gerät gibt es nicht DIE alternative Antriebsform. Stattdessen sind Einsatzart und -ort ausschlaggebend für die jeweils bestgeeignete Antriebsalternative zum Diesel.
  2. Die Antriebsart „Elektrische Energie“ stößt zum Beispiel bei ständig wechselnden Arbeitsorten oder „in der Pampa“, also weit draußen liegenden Einsatzorten, an ihre Grenzen.
  3. Wasserstoff hat von seiner chemischen Natur her großes Potenzial – insbesondere als verbindendes, „wandlungsfähiges“ Element, das elektrische und thermische Energie speichern, lagern und freisetzen kann. Wasserstoff ist gängig, vielfältig und „unter uns“, ohne dass wir es merken – zum Beispiel gebunden in H2O. Allerdings hat grüner Wasserstoff als flächendeckender Energieträger noch ein Stück Weg vor sich: bezüglich der Erzeugungs-Standorte z.B. in Südeuropa und Nordafrika, der Liefersysteme, der erforderlichen Motorenanpassung und der ­Ladeinfrastruktur.
  4. Der Verbrennungsmotor wird weiterhin unverzichtbar sein. Entscheidend ist, welche regenerativen flüssigen Energieträger dafür zur Verfügung stehen können und werden, auch und besonders, was die Nachhaltigkeits-Offensive für die Bestandsflotte angeht.
  5. Technologieoffenheit bleibt das A und O: im Großen wie in jedem einzelnen Detail.

„Alternative Kraftstoffe werden verfügbar sein“
Das zweite Kurzreferat hatte dann Alexander Maier, Geschäftsführer der MaierKorduletsch Gruppe, eines inhabergeführten Familienunternehmens in vierter Generation, das 1919 als Mineralölhändler begann und heute für Energie, Wärme und Mobilität steht, an Standorten in Bayern, Österreich und Tschechien. Zum Port­folio zählen neben Heizöl, Holzpellets, Erdgas und Strom die Kraftstoffe Diesel, Benzin, Shell GTL Fuel und die flüssige Harnstofflösung AdBlue® sowie Markenschmierstoffe für Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie. Hinzu kommt ein eigenes Shell-Tankstellennetz und, seit 20. September 2023, der erste MaierKorduletsch Next Mobility Hub in Passau-Sperrwies, bestehend aus einer konventionellen Tankstelle mit Otto-, Dieselkraftstoffen und AdBlue®, Schnell-Ladeplätzen für zehn Pkws und zwei Sprinter / Lkws sowie einer Wasserstoff-Tankstelle für Lkws. Beim Aufbau eines Tankstellennetzes für alternative Lkw-Kraftstoffe wie E-Fuels und Wasserstoff komme es, so Alexander Maier, darauf an, das „Henne-Ei-­Problem“ zu lösen: „Tankstellen und Lkws mit Wasserstoff-fähigen Motoren müssen gleich­zeitig und Hand in Hand entstehen. So werden wir in Zukunft alle ca. 100 km ein Mobility Hub nach dem anderen planen und betreiben.“

Im Rahmen des „Next Mobility Accelerator Consortiums“ …
… zusammen mit der PAUL Group und Shell strebt MaierKorduletsch den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur vom Fahrzeug bis zur Tankstelle für den Transport- und Logistikbereich an. Der erste serienreife Wasserstoff-Brennstoffzellen-Truck PH2P® der PAUL Group ist bereits seit Juni 2022 im Einsatz, bis Ende des Jahres sind es 25 zugelassene LKWs. „Wir wollen die Energiewende regional voranbringen“, sagt Alexander Maier, „immer mehr Unternehmen legen größten Wert darauf, ihre Nachhaltigkeit im Transportsektor nachweisbar zu stärken. Mit unserem ganzheitlichen Wasserstoffinfrastruktur-Ansatz bieten wir ein entscheidendes Modul an, inklusive Werkstatt-Service. Ich bin überzeugt davon: 2050 wird ein nennenswerter Anteil der Off-Highway-
Maschinen im Bestand mit flüssigen ­E-Kraftstoffen betrieben werden.“

2050 wird ein nennenswerter Anteil der Off-Highway-Maschinen im Bestand mit flüssigen E-Kraftstoffen betrieben werden.

Alexander Maier,
Geschäftsführer der MaierKorduletsch Gruppe

Biosyntec produziert im bayernhafen Regensburg „Bio-Diesel“
Den Kraftstoff HVO100 hält Alexander Maier für einen der wichtigsten flüssigen E-Kraftstoffe: „Auch hier zählt die Verfügbarkeit, das heißt der Zugang zu den notwendigen Mengen.“ Im bayernhafen Regensburg produziert die Biosyntec GmbH „Bio-Diesel“ aus alten Speiseölen und -fetten, das heißt ohne Verschwendung natürlicher Rohstoffe, ohne wertvolle Anbauflächen für Getreide oder Gemüseanbau nutzen zu müssen und ohne jedes Palmöl. „In der Schweiz ist das Tanken von HVO100 an öffentlichen Tankstellen bereits erlaubt“, sagt Biosyntec-Geschäftsführer Karl Heinz Jackermeier, „innerhalb Deutschlands steht nur noch eine letzte Stufe der Genehmigung aus, dann ist dieser Markt auch bei uns in Deutschland voll offen.“

Bei der Liebherr-Components Deggendorf GmbH …
… entwickeln, konstruieren und produzieren über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mikropräzisionsteile, hydraulische und elektronische Einzelkomponenten und komplette Systemlösungen für Common-Rail-Systeme – d.h. für Einspritzsysteme von Verbrennungsmotoren, bei denen eine Pumpe den Kraftstoff auf ein hohes Druckniveau bringt. Zum Einsatz kommt ­diese eigenentwickelte Einspritztechnologie in Liebherr-Dieselmotoren und in Aggregaten anderer Hersteller.

„Der Antrieb erfordert eine robuste Lösung“
Motoren von Off-Highway-Maschinen in See- und Binnenhäfen sowie auf Baustellen sind härtesten Bedingungen ausgesetzt: hohe Lasten und Temperaturen, Verschmutzung, unsauberes Wasser, starker Verschleiß. „Trotz oder gerade wegen dieser extremen Beanspruchung müssen Kräne, Bagger und alle Baumaschinen absolut zuverlässig funktionieren“, sagt Richard Pirkl, Geschäftsführer der Liebherr-Components Deggendorf GmbH, „der Antrieb von Off-Highway-Maschinen erfordert eine robuste Lösung. Hohe Spitzenleistung und Dynamik gepaart mit Robustheit gegen Staub, Schmutz und Wasserverunreinigungen machen den Verbrennungsmotor zur einfachsten und naheliegendsten Lösung im anspruchsvollen Off- Road-Einsatz.“

„Der Antrieb muss wirtschaftlich sein“
„Der Verbrennungsmotor ist Impulsgeber für die Entwicklung von Wasserstoffmotoren“, sagt Richard Pirkl, „denn der Wasserstoffmotor erfordert nur geringfügige Anpassungen der Fahrzeugkonzepte und kann in eine Vielzahl von Kleinserien-Anwendungen mit unterschiedlichen Belastungsprofilen eingebaut werden. Das Zielsegment sind Leistungsklassen größer als 130 kW. Wasserstoffmotoren können vergleichsweise schnell auf den Markt gebracht werden.“

Für kleinere bis mittlere Leistungsklassen bis 130 kW – bei vorrangig stationären Anwendungen auf Baustellen mit begrenzter oder ohne Netzversorgung – bietet Liebherr batterieelektrische mobile Anwendungen und mobile Energiespeicher auf Basis von Lithium-Ionen-Batterie, zum Beispiel den LiduroPower Port, als Anhänger- oder Absetzlösung. „Wir entwickeln Lösungen für die drei ­großen Antriebswelten“, sagt Richard Pirkl, „für den Verbrennungsmotor mit alternativen Kraftstoffen (ICE Internal Combustion Engine), für batterieelektrische Fahrzeuge (BEV), und in Konzeptstudien überprüfen wir mögliche Einsatzgebiete für die Brennstoffzelle (FC Fuel Cell). Ganz bewusst verfolgen wir einen offenen Technologieansatz – denn ob und welche der drei Antriebswelten sich auf Dauer durchsetzen kann und wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.“

Motoren können Verbrennung, natürlich auch von alternativen Kraftstoffen.

Richard Pirkl, Geschäftsführer der
Liebherr-Components Deggendorf GmbH

Das Familienunternehmen Mörtlbauer arbeitet als Maschinenbauer und Baumaschinenhändler in Bayern und Tirol. Für einige seiner Bauunternehmens-Kunden hat das Team um Armin Mörtlbauer Bestands-Off-Highway-Maschinen auf einen alternativen Antrieb hin „customized“. Die wichtigste Erfahrung dabei: „Triebfeder jeder Antriebsanpassung bei Bestands-Fahrzeugen ist die Wirtschaftlichkeit“, sagt Armin Mörtlbauer, „Strom muss bezahlbar sein, der wirtschaftlichste Weg wird siegen.“

„Wie sieht der Betriebshof der Zukunft aus? Und wie schulen wir unsere Techniker?“
… fragte Klaus Hohberger, Mitglied der bayernhafen Geschäftsleitung, in der abschließenden Diskussionsrunde. Denn natürlich erfordern die neuen Antriebsvarianten Elektromobilität, Wasserstoff, E-Fuels und (erst mal Zukunftsmusik) Brennstoffzelle ein erweitertes Qualifikationsniveau der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem: Wo kommen in Zukunft die Primärenergieträger her? Wer passt die Bestands-Fahrzeuge und -Maschinen an die erweiterte Antriebsvielfalt an? Werden neue Fahrzeuge gekauft, geleast oder im Hafen geshared? Wie müssen Werkstätten ­erweitert werden? Wo erfordert der Betriebsalltag neue Prozesse? „All das sind notwendige und wichtige Fragen“, sagte Klaus Hohberger, „wir werden darüber mit unseren Kunden an all unseren bayernhafen Standorten sprechen und gemeinsam die bestmöglichen Lösungen ­entwickeln.“

Quo vadis Antriebstechnologien bei Off-Highway-Maschinen bis 2033?
Auf die Schlussfrage kamen die Antworten schnell: Prof. Hans Peter Rabl prognostizierte, es werde Regionen in Europa geben, in denen die Elek­trifizierung nicht so schnell vorangehe, abhängig von der Marktsituation. Richard Pirkl meinte, 2033 würden immer noch 75 % der großen Off-Highway-Maschinen und -Fahrzeuge mit Diesel bzw. umweltfreundlichen Dieselersatzkraftstoffen laufen. ­Alexander Maier zeichnete eine positive Entwicklung der Wasserstoff-Infrastruktur, Achim Mörtlbauer ergänzte, in den Konzepten sei die Branche schon relativ weit, der Mix werde abhängig vom Anwendungsfall sein. Und Klaus Hohberger freute sich auf die kommenden Jahre der Übergangszeit: „Das werden wir gemeinsam mit unseren Kunden gestalten.“

Kurzum: Alternative Antriebsformen für Off-­Highway-Maschinen werden Wissenschaftler, Motorenhersteller, Energielieferanten, Maschinenbauer und Binnenhäfen weiterhin fordern. Auf die gemeinsam entwickelten Lösungen darf man gespannt sein.