Wege des Wasserstoffs
… und warum das System Wasserstraße dabei eine Hauptrolle spielt
Kein natürliches chemisches Element kommt im Universum häufiger vor als Wasserstoff. H – vom englischen hydrogen – hat noch weitere Vorzüge: H ist 14-mal leichter als Luft, nicht giftig, nicht ätzend, nicht radioaktiv, es entzündet sich nicht selbst und verbrennt mit farbloser Flamme rückstandsfrei. Wasserstoff kommt auf der Erde meist in gebundener Form vor – und das in fast allen organischen Verbindungen. Mit Sauerstoff bildet er die Basis allen Lebens – Wasser (H2O) – und ist auch Teil von Kohlenwasserstoffen wie Methan und Erdöl. Und: Wasserstoff ist Energie pur: So werden im Innern der Sonne jede Sekunde 600 Millionen t (!) Wasserstoff in Helium umgewandelt, was dort zu kaum vorstellbaren 15 Mio. Grad Celsius führt.
Wasserstoff, der Allrounder unter den Energieträgern
Eine Frage stellen sich Energieexperten und Ökonomen daher seit langem: Wie nutzen wir am besten und nachhaltigsten die H-Energie? Denn geeignet ist der Allrounder unter den Energieträgern sektorenübergreifend: für den Wärmebedarf privater Haushalte, in der Quartiersversorgung und als Kraftstoff im Verkehr genauso wie als flexibler Speicher von Strom aus Erneuerbaren Energien sowie als Energieträger und Reaktand (Ausgangsstoff) in der chemischen Industrie. In all diesen Bereichen können mit der Wasserstoff-Nutzung CO2-Emissionen signifikant gesenkt werden. Diese geplanten Anwendungen benötigen weitaus mehr Wasserstoff, als wir in Mitteleuropa selbst erzeugen könnten. Daher ist die ideale Transportform des Wasserstoffs die, die einen Import aus fernen Ländern erlaubt. Auch heute importieren wir ja den größten Teil unseres Energiebedarfs.
In Etappe 1 wird Wasserstoff aus seiner chemischen Verbindung herausgelöst, um reinen Wasserstoff zu erhalten. Dies erfordert chemische, elektrische, thermische oder solare Energie. So wird in der Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen grüner Wasserstoff aus Wasser separiert. Aus Erdgas wird Wasserstoff durch Pyrolyse oder Dampfreformierung gewonnen: Wird das dabei entstandene CO2 aufgefangen und in geologischen Lagerstätten gespeichert oder weiterverwendet, spricht man von blauem Wasserstoff.
Jetzt kommt DIE grundsätzliche Weggabelung des Wasserstoffs: Wird er vom Ort seiner Herstellung zum Ort seiner Nutzung als Gas transportiert oder in flüssiger Form, an ein Trägermaterial gebunden? Für beide Aggregatzustände liegt die Transport- und Speicher-Infrastruktur vor: Tanklager in den See- und Binnenhäfen, See- und Binnenschiffe für die Langstrecke auf der Wasserstraße, Kesselwaggons für die Langstrecke auf der Schiene, Pipelines, Tank- oder Chemielaster für die „letzte Meile“. Hier kommen trimodale Binnenhäfen ins Spiel: Denn in Binnenhäfen läuft all das zusammen, was die Wasserstoff-Infrastruktur in Zukunft braucht. Binnenhäfen sind Verknüpfungs- und Bündelungs-Experten, auch und gerade für jede Form von Energieträgern, von Kohle über Heizöl, Kraftstoffe und Biodiesel bis hin zum Energieträger der Zukunft, dem Wasserstoff.
Green Hydrogen @ Blue Danube …
… plant den Aufbau einer pan-europäischen Lieferkette für grünen Wasserstoff im Donauraum, von der Produktion über den Transport bis zu den Abnehmern im Industrie- und Mobilitätsbereich. Das Vorhaben wird von der VERBUND AG, Österreichs führendem Energiekonzern, koordiniert und umfasst Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff. Dem Konsortium gehören unter anderem Hydrogenious LOHC Technologies (siehe FachMeinung Seite 12), Bayernoil, Bosch, MAN Energy Solutions und Clariant an.
Ziel ist es, mit rund 2 GW erneuerbarem Strom sowie rund 1,5 GW Elektrolyseleistung über 80.000 t grünen Wasserstoff pro Jahr zu wettbewerbsfähigen Preisen in Süd-Ost-Europa produzieren zu lassen und donauaufwärts nach Österreich und Deutschland zu importieren – mit Binnenschiffen, die sonst fossile Flüssigkraftstoffe laden. Eine Roland Berger-Studie belegt: Die LOHC-Technologie setzt sich hier gegenüber allen anderen leitungsgebundenen und nicht-leitungsgebundenen Transportmitteln durch, mit dem besten Verhältnis von Kosteneffizienz und einfacher Implementierung. (Siehe dazu auch das wissenschaftliche Statement von Prof. Dr. Wolfgang Artl, Seite 13).
In Phase 1 wird grüner Wasserstoff in Österreich und Bayern produziert. In Phase 2 soll grüner Wasserstoff aus Grünstrom in Rumänien und Bulgarien hergestellt werden. Strom aus Wind, Sonne und Wasser wird dort direkt vor Ort in Wasserstoff umgewandelt – so entstehen erneuerbare Ressourcen „Made in Europe“, die aufgrund fehlender Stromübertragungs-Kapazitäten sonst nicht realisiert werden könnten. „Im Projekt ‚Green Hydrogen @ Blue Danube‘ steckt ein enormes Potenzial für Europas Energiewende“, sagt Rafael Schmidt, Head of Business Development bei der Hydrogenious LOHC Technologies, die LOHC Technologie entwickeln und im Projekt in Deutschland verantwortlich sind für Projektierung, Anlagen-Implementierung und die Gewinnung von Wasserstoffgroßkunden, „wir schaffen hier eine pan-europäische Wertschöpfungskette für Wasserstoff, die einen großen Beitrag dazu leisten kann, Europa klimaneutral zu machen.“
Wasserstoff – der Projekt-Rollout findet in Bayern statt
Ein bayerisches Vorprojekt mit einer Produktionskapazität von bis zu 3.000 t grünem Wasserstoff pro Jahr soll unter der Federführung von VERBUND und Hydrogenious Schlüsseltechnologien für die Herstellung und den Transport des Wasserstoffs demonstrieren und damit den Grundstein für die Integration der internationalen Lieferketten legen. Das Konsortium plant, das Vorprojekt in Bayern 2022 zu starten.
Brennstoffzellen für Binnen- und Seeschiffe
Auch für das Binnenschiff-Equipment wird bereits die Wasserstoff-Zukunft geplant. So unterzeichnete das norwegische Unternehmen ‚Teco 2030‘ nach eigenen Angaben einen Lieferrahmenvertrag mit der niederländischen Reederei Chemgas Shipping, für Brennstoffzellen mit einer Gesamtleistung von bis zu 200 MW. Die Module sollen auf den neuen emissionsfreien und wasserstoffbetriebenen Schleppern und Bargen von Chemgas Shipping installiert werden. Chemgas Shipping plant, auf der Donau bis zu 60 Schubboote mit bis zu 120 Leichtern für den Transport von Wasserstoff einzusetzen; dafür braucht es Brennstoffzellen an Bord, die Wasserstoff und Sauerstoff in elektrische Energie wandeln.
Auch Hydrogenious rüstet bereits Schiffe mit der LOHC Technologie aus, in einem Joint Venture mit der Johannes Østensjø dy AS. Ziel ist es, neuartige emissionsfreie LOHC-basierte Anwendungen für die Seeschifffahrt zu entwickeln und zu vermarkten. Der Fokus liegt dabei auf bordseitigen LOHC-/Brennstoffzellen-Antriebssystemen im Megawatt-Maßstab. Hydrogenious plant in 2025 ein erstes Megawatt-Projekt auf ein Schiff zu bringen. Dies wird Blaupause für ein kommerzielles Produkt sein.
Eines ist sicher: Der Weg des Wasserstoffs ist noch ein weiter. Doch eines ist genauso sicher: Der Weg des Wasserstoffs hat bereits begonnen. Die bayernhafen Standorte und das System Wasserstraße stehen parat.